Saint-Valéry-en-Caux: kleines Küstenstädtchen in der Normandie

Saint-Valéry-en-Caux

Jetzt bin ich schon seit beinahe einem Monat wieder zurück aus dem Frankreichurlaub in der Normandie – höchste Zeit für den ersten Reisebericht!

Den Anfang macht das kleine Örtchen direkt an der Küste, in dem meine Mama und ich uns ein Apartment gemietet hatten: Saint-Valéry-en-Caux.

Die Alabasterküste – ein Naturspektakel in Weiß

Saint-Valéry-en-Caux liegt an der berühmten Côte d’Albâtre, der Alabasterküste. Dieser Name ist Programm: kilometerlang erstrecken sich hier strahlend weiße Kreidefelsen entlang der Küste, die an manchen Stellen über 100 Meter hoch aus dem Ärmelkanal aufragen. Die majestätischen Klippen werden nur selten von einem bis ans Meer reichenden Taleinschnitt durchbrochen, in denen dann meist kleine Ansiedlungen liegen.

Steilklippen in der Normandie

In genau so einer Valleuse liegt Saint-Valéry-en-Caux. Die dramatische Kulisse ist wirklich atemberaubend: Auf der einen Seite das satte Grün der normannischen Wiesen, auf der anderen das tiefe Blau des Meeres, und dazwischen die schroffen Kreidefelsen, die je nach Tageszeit und Licht in den verschiedensten Weißtönen schimmern.

Steilklippen bei Saint-Valéry-en-Caux
Steilklippen bei Saint-Valéry-en-Caux

Was kann man in Saint-Valéry-en-Caux machen?

Unser kleines Apartement liegt nur ein paar Minuten Fußweg vom Strand entfernt in einem Mehrfamilienhaus, das nicht nur Touristen eine Unterkunft bietet, sondern auch normale Wohnungen und sogar eine Zahnarztpraxis beherbergt.

Generell ist die Gegend natürlich beliebt bei Touristen, zu 90% kommen die aber tatsächlich aus Frankreich. Nur ganz selten hören wir mal eine niederländische, englische oder deutsche Unterhaltung. Das macht es natürlich sehr authentisch und gefällt mir besser als beispielsweise unser Hollandurlaub vor ein paar Jahren, in dem wir uns das Örtchen gefühlt mit dem halben Ruhrpott teilten. 😀

Es gibt keinen Sandstrand, sondern ziemlich groben Kies. Für einen typischen Strandurlaub ist die Region also eher nicht das Richtige. Wenn du dir aber gerne hübsche Dörfchen anschaust, Schlösser und Parks, Museen & Co., findest du hier viel Abwechslung.

Kiesstrand in Saint-Valéry-en-Caux

Von Saint-Valéry-en-Caux aus unternehmen wir verschiedene Tagestouren und dafür ist es ein wirklich charmanter und günstig gelegener Ausgangspunkt. Das Städtchen, das etwa auf halber Strecke zwischen Dieppe und Fécamp liegt, hat gerade mal knapp 4.000 Einwohner, aber es steckt voller Leben und Geschichte.

Leuchtturm von Saint-Valéry-en-Caux

Steil ist’s!

Was sofort auffällt: in Saint-Valéry-en-Caux ist es wie in den meisten dieser Küstendörfer richtig steil! Das Örtchen schmiegt sich ja in den Taleinschnitt zwischen den hohen Klippen, und überall winden sich Treppen und Sträßchen hinauf und hinab, die eigentlich eher den Namen Rampe verdient haben.
Vom Meer zu unserem Apartement ist schon ein kleiner Anstieg, und bis zu den Klippen hinauf wird es noch deutlich steiler.

Hier siehst du rechts das hellgelbe Haus, in dem unser Apartment liegt. Dieser supersteile kleine Weg führt nach oben auf die Klippen und stellt damit eine Alternative zu den drölfzighundert Treppenstufen dar, die vom Strand aus nach oben führen. Dort hoch- und auch wieder runterzukommen wird alsbald zu meiner beinahe täglichen Challenge, damit ich von dem vielen leckeren Essen nicht mopsig werde. 😀

Steiler Weg in Saint-Valéry-en-Caux

Das ist der Ausblick von unserem Apartment, das einen gemütlichen verglasten Balkon hat mit Blick aufs Meer:

Saint-Valéry-en-Caux

So steil ist es auch wirklich nur direkt am Meer. Nur wenige Kilometer landeinwärts erreicht man dann schon das flache normannische Plateau mit seinen endlosen Wiesen und Feldern, aus denen zahlreiche Windkraftanlagen aufragen.

Windräder an der Alabasterküste

Aber zurück zu Saint-Valéry selber!

Zur Orientierung hier mal ein Foto, das ich von den Klippen oberhalb unseres Apartments aus aufgenommen habe. Rechts unten siehst du das sogenannte Casino mit der blau gestreiften Fassade, zu dem wir gleich noch kommen. Hinten sind der Leuchtturm und die Hafeneinfahrt zu erkennen. Verdeckt hinter den Häusern liegt der eigentliche Hafen.

Saint-Valéry-en-Caux

Der Hafen

Das Zentrum von Saint-Valéry bildet der Hafen. Ursprünglich wurde er bereits im 13. Jahrhundert für den Heringsfang angelegt – heute beherbergt er als moderner Yachthafen etliche Hundert Boote.

Hafen von Saint-Valéry-en-Caux
Hafen von Saint-Valéry-en-Caux

Direkt an der Hafenmauer liegen einige kleine Restaurants, in denen wir ein paar Mal zu Mittag essen.
Die Mittagsgerichte sind in der Region übrigens bezahlbar – ganz oft kann man wählen, ob man Vorspeise plus Hauptgericht haben möchte oder Hauptgericht plus Dessert, dafür liegt man dann bei rund 15€ und wird wirklich satt.

Das Casino – Relikt einer glamourösen Zeit

Was uns zunächst etwas verwundert: warum hat so ein kleines Städtchen wie Saint-Valéry-en-Caux ein Casino? Die Antwort liegt in der Geschichte der französischen Seebäder. Im 19. Jahrhundert entstanden entlang der französischen Küste viele elegante Badeorte, die wohlhabende Urlauber anzogen. Zu einem solchen mondänen Seebad gehörte traditionell ein Casino – nicht nur zum Spielen, sondern als gesellschaftlicher Mittelpunkt mit Restaurant, Ballsaal und Unterhaltung.

Auch wenn die großen Zeiten längst vorbei sind, hat das Casino von Saint-Valéry-en-Caux seinen nostalgischen Charme bewahrt. Das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert thront direkt am Strand und bietet heute neben den Spielautomaten auch ein Restaurant mit herrlichem Meerblick. Es ist schon irgendwie romantisch, sich vorzustellen, wie hier früher in Abendgarderobe flaniert wurde!

Die Schifferkirche

Im Ortskern direkt am Marktplatz liegt die Chapelle Notre Dame de Bon Port – die Schifferkirche. Sie wurde in den 1960er Jahren erbaut und steht auf den Fundamenten einer älteren Kirche aus dem 17. Jahrhundert, die während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurde.

Schifferkirche von Saint-Valéry-en-Caux

Von außen sieht sie zunächst recht unscheinbar aus, aber wenn man die Tür öffnet, verschlägt es einem den Atem! Die Kapelle ist wie ein umgedrehtes Schiff gestaltet – eine wunderbare Hommage an die maritime Tradition des Ortes. Die großen blauen Fenster sorgen für eine ganz besondere Lichtstimmung.

Die bunten Glasfenster sind das Werk von André-Louis Pierre, einem Meister seines Fachs, der auch an der Restaurierung der Fenster der Kathedrale von Chartres beteiligt war.

Besonders berührend sind die Gedenktafeln am Eingang, die an auf See verstorbene Gemeindemitglieder erinnern.

Schifferkirche von Saint-Valéry-en-Caux

Kleine Gassen, alte Häuser

Einige wenige Gebäude in Saint-Valéry-en-Caux haben die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs überstanden. Dazu gehört unter anderem das Fachwerkhaus Maison Henri IV am Hafen, das aus dem Jahr 1540 stammt. Leider befindet sich unmittelbar davor derzeit eine große Baustelle, die das Ganze etwas weniger pittoresk macht.

Saint-Valéry-en-Caux

Hier siehst du übrigens den Hafen bei Ebbe: ein Stauwehr mit Brücke schützt den Yachthafen, sodass der Pegel dort immer gleich bleibt.

Fachwerkhäuser gibt es in der Gegend viele. Spannend finde ich, dass die Muster der Balken ganz anders aussehen als bei uns daheim.

Saint-Valéry-en-Caux

Hinter dem Maison Henri IV warten einige verwinkelte Gassen darauf, entdeckt zu werden:

Saint-Valéry-en-Caux

Die Denkmäler auf den Klippen

Links und rechts des Örtchens gelangt man auf die Klippen – und der Aufstieg lohnt sich wirklich! Oben angekommen, hat man nicht nur ein atemberaubendes Panorama über das Meer, sondern stößt auch auf einige Denkmäler, die etwas über die Geschichte von Saint-Valéry-en-Caux erzählen.

Das eine ist das Costes-und-Bellonte-Denkmal, das an die beiden französischen Piloten Dieudonné Costes und Maurice Bellonte erinnert, die 1930 den ersten Nonstop-Flug von Paris nach New York wagten. Saint-Valéry-en-Caux war die letzte französische Stadt, die sie vor ihrer historischen Atlantiküberquerung überflogen.

Ihr Flugzeug trug übrigens den wunderbaren Spitznamen „Point d’Interrogation“ – Fragezeichen. Ein schöner Wink mit dem Zaunpfahl an alle, die sich trauen, Grenzen zu überschreiten und Neues zu wagen!

Costes-und-Bellonte-Denkmal in Saint-Valéry-en-Caux

Nur ein paar Meter weiter stehen eine Gedenkstätte für die 51. Scottish Highland Division sowie etliche Infotafeln, die über die Geschichte von Saint-Valéry im Zweiten Weltkrieg erinnern.
Denn was man beim Spaziergang entlang der Klippen ebenfalls entdeckt, sind die Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg, die sich in die Steilküste hineinfressen. Diese grauen Betonkolosse sind stumme Zeugen der deutschen Besatzung und des berüchtigten Atlantikwalls.

Bunker und Denkmäler in Saint-Valéry-en-Caux

Der Schatten der Geschichte: Saint-Valéry im Zweiten Weltkrieg

Wie so viele Orte in der Normandie trägt auch Saint-Valéry-en-Caux die Spuren des Zweiten Weltkriegs.

Während die meisten Menschen von der dramatischen Evakuierung von Dünkirchen gehört haben, kennen viel weniger die Geschichte von Saint-Valéry-en-Caux – oft als „das andere Dünkirchen“ bezeichnet. Eine Woche nach dem Abschluss der Evakuierung von Dünkirchen kämpfte hier die 51st Highland Division unter General Victor Fortune um ihr Überleben.

Diese schottischen Soldaten waren von Churchill der französischen Armee unterstellt worden, um zu zeigen, dass „Großbritannien seinen Verbündeten niemals in der Stunde der Not im Stich lassen würde“. Als die deutschen Truppen unter General Rommel die britischen Kräfte einkreisten, versuchte die Royal Navy eine Evakuierung von der See aus zu organisieren. Doch die deutschen Panzer erreichten trotz aller Verteidigungsmaßnahmen die Klippen und konnten von oben auf den Hafen feuern. Gut 3.000 britische und französische Soldaten konnten sich einschiffen; die übrigen, darunter mehr als 6.000 Mann der Highland Division, gerieten am 12. Juni 1940 in Kriegsgefangenschaft.

Es ist schon ein seltsames Gefühl, sich vorzustellen, wie viel Leid und Tod hier einst herrschten… aber es ist auch gut zu sehen, dass sich der Ort erholen konnte und heute wieder ein so schönes Fleckchen geworden ist.

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