Vor ziemlich genau 5 Jahren, im Frühling 2020, begann die Corona-Pandemie.
Der Herr Tommi blickt nun zurück und fragt, was sich seitdem alles verändert hat. Da mein Kommentar bei ihm doch sehr lang wurde, habe ich ihn kurzerhand in einen eigenen Blogartikel umgezogen.
Das Leben der anderen
Ich mache mir generell immer viel mehr Sorgen um meine Lieben als um mich selber. Die Pandemie hat da echt Öl ins Feuer gegossen.
Mein (Ex-)Mann galt damals als „systemrelevant“, da er auf der Intensivstation arbeitete. Also direkt an der Front, er hat auch die schweren Covid-Fälle betreut. Und ja, er hat sich dabei mehr als einmal angesteckt. Das macht was mit einem, auch psychisch.
Auch um meine Mama mit ihrer Lungenkrankheit hatte ich wahnsinnig viel Angst. Ironischerweise steckte sie sich schließlich ausgerechnet in einer Reha an… an den Folgen hat sie bis heute zu knabbern.
Manche Freundschaften haben einen tiefen Knacks bekommen und sind nun allenfalls noch lose Kontakte, wenn überhaupt: erschreckend zu sehen, wie intelligente, gebildete Menschen auf einmal in ganz abstruse Verschwörungsecken abdrifteten. Menschen, von denen man das niemals erwartet hätte, weil man sie doch eigentlich immer als vernünftig und bodenständig erlebt hat. Gruselig.
Ähnliche Zweifel habe ich übrigens gerade, was die politische Einstellung angeht. Rein statistisch betrachtet müssen auch etliche meiner scheinbar „ganz normalen“ Bekannten, Nachbarn und Kollegen rechts gewählt haben. Urgh…
Menschen, Masken & Misstrauen
Die Ansteckungsgefahr ist drinnen logischerweise größer als draußen. Auch nach dem Abflauen der Pandemie habe ich mich daher lange schwer damit getan, mich mit mehreren (fremden und daher potentiell kranken) Menschen in Räumen aufzuhalten. Tatsächlich gab es eine Zeit, in der ich nicht gedacht hätte, dass ich mich jemals wieder daran gewöhnen würde.
Beim ersten Einkauf nach der Maskenpflicht fühlte ich mich quasi nackt und traute mich gar nicht, richtig zu atmen.
Aber ja, es geht. Mit der Zeit habe ich mich wieder an „normale“ soziale Situationen gewöhnt, auch wenn es ein holpriger Weg war. Ich neige generell zu übermäßiger Vorsicht und einem gewissen Hang zum Katastrophendenken – die Pandemie war da nicht hilfreich.
Meine typische Reaktion auf Einladungen oder Veranstaltungen war oft ein schlichtes „Meh… nee, ich geh nicht hin, sooo wichtig ist mir das nicht.“ Ich habe viele Dinge einfach ausgelassen, weil es mir das gefühlte Risiko nicht wert erschien. Eine nüchterne Kosten-Nutzen-Rechnung, bei der das soziale Erlebnis meist den Kürzeren zog. 🤷♀️
Diese pragmatische Zurückhaltung zu überwinden, war für mich ein Lernprozess. Ich musste meine Risikobewertung nach und nach anpassen und feststellen, dass viele soziale Situationen tatsächlich auch etwas Positives bringen können, das das gefühlte Gesundheitsrisiko aufwiegt.
Ich war seitdem mit und ohne Maske auf verschiedenen großen Veranstaltungen wie Pferdeshows, einer Messe und sogar im Studio für eine Aufzeichnung der Ultimativen Chartshow (fragt nicht 😂). Und ich habe es überlebt. Ohne mich anzustecken.
Wenn ich erkältet bin und zum Arzt muss, trage ich aber auch heute noch eine Maske. Einfach, weil das so ein simples Ding ist, was Ansteckungen verhindert. Und hey, ich will im Wartezimmer auch nicht den verrotzten Atem der anderen einatmen. Es wäre schön, wenn das mehr Menschen beibehalten würden. 😷
Home Office & Remote Work
Etwas Gutes ist aus der Pandemie aber auch hervorgegangen: Home Office.
Vorher bin ich noch nach Köln ins Büro gefahren und war dafür seit unserem Umzug aufs Land jeden Tag drei bis vier Stunden unterwegs.
Wir als Firma hatten großes Glück mit dem Timing: nur wenige Jahre zuvor galt bei uns noch die ganz strikte Regel „kein Code verlässt das Gebäude“. Als die ersten Kollegen Laptops bekamen, war das eine große Sache. Das Thema stieß aber auf so breites Interesse, dass wir etliche Änderungen an der Infrastruktur und dem Regelwerk vornahmen und schließlich so gut wie jeden Mitarbeiter mit einem Laptop ausstatteten. Fortan konnte man einige Tage von daheim arbeiten und hatte ansonsten im Büro eine Dockingstation mit großen Monitoren.
Dann kam Corona. Ich habe meinem Team, das ich damals leitete, schon ziemlich bald freigestellt, komplett von daheim aus zu arbeiten – noch bevor das in der Firma die allgemeine Ansage war. Die Umstellung lief wirklich reibungslos. Keiner hatte technische Probleme und über Zoom (das wir schon nutzten, ehe es cool wurde 😀 ) hielten wir auch weiterhin viel Kontakt.
Fast forward, wie ist es heute? – Wir sind in ein deutlich kleineres Gebäude umgezogen und haben uns einfach eine eigene Etage bei einem Coworking Space gemietet. Regelmäßig die ganze Woche über ins Büro kommen nicht mehr viele Kollegen, die meisten arbeiten zumindest tageweise von daheim.
Ich bin bis auf wenige Ausnahmen komplett im Home Office – da ich vorwiegend mit Kollegen aus den USA oder anderen Ländern zusammenarbeite, ist es aber auch ziemlich wumpe, von wo aus ich in den Monitor gucke.
Da wir so gute Erfahrungen mit Remote und Hybrid Work gemacht haben, schreiben wir Jobs seit ein paar Jahren auch nicht mehr nur in der Nähe unserer Firmensitze aus, sondern stellen quasi weltweit ein. Dadurch finden wir natürlich nicht nur mehr tolle Kandidaten, sondern sind auch in Sachen Zeitzonen und Kundennähe besser aufgestellt.
Als Firma sind wir also wirklich gut durch die Pandemie gekommen und sind daran gewachsen.
Endlich wieder Pferdemädchen
Das Home Office bringt einen riesigen Pluspunkt mit sich: durch das Wegfallen des Arbeitswegs habe ich deutlich mehr Freizeit.
Und das hat es möglich gemacht, dass ich im Sommer 2020 endlich wieder mit dem Reiten begonnen habe, nach über zehn Jahren „Entzug“. Tja – und dann kam eins zum anderen und im Januar 2021 habe ich mir mit meiner Dolida den Traum vom eigenen Pferd erfüllt. 🥰 Letztes Jahr ist dann ja auch noch meine verrückte Jungstute Feli dazugekommen.
Durch die Pferde hat sich mein Alltag deutlich gewandelt. Ich bin halt jeden Tag um die drei Stunden im Stall, am Wochenende auch deutlich länger – die wenigste Zeit geht dabei übrigens fürs Reiten drauf, man ist viel mehr mit dem ganzen Drumherum beschäftigt. Aber das hält mich nicht nur fit, sondern es sind dadurch auch ganz wunderbare Freundschaften entstanden.
Dank Dolida bin ich auch deutlich besser durch die Pandemie mit ihren Kontaktsperren und Lockdowns gekommen, als es sonst wohl der Fall gewesen wäre. So viel hat sich nämlich gar nicht geändert – ich war ja weiterhin jeden Tag im Stall und habe dort auch andere Leute getroffen. Da alles an der frischen Luft stattfand, war es relativ entspannt. Auch in puncto Shopping fiel mir der Lockdown gar nicht so sehr auf, da ich eigentlich eh nur in Pferdeläden und Baumärkte gehe und die hatten weiterhin auf. 😀
Als es mich 2022 dann selber mit Covid erwischt hatte und ich anderthalb Wochen lang nur daheim war, fiel mir dann auch prompt die Decke auf den Kopf. Ich will mir nicht ausmalen, wie es mir ohne den Luxus und die Freiheit von Pferd und Garten in der Pandemie ergangen wäre.
Business trifft Landleben
Ich bin ja auf dem Dorf aufgewachsen und war heilfroh, als wir 2017 von Leverkusen wieder aufs Land gezogen sind. Ich bin ein Landei und steh dazu. 😀
Durch die Pandemie ist mir das noch viel deutlicher klargeworden. Ich habe mal während des Studiums und der ersten paar Jahre im Job in der Stadt gelebt. Und ja, man gewöhnt sich irgendwie an alles. Seitdem ich im Home Office arbeite, bin ich nur noch alle Jubeljahre mal in der Stadt – und merke jedesmal so deutlich, wie unwohl ich mich dort fühle. Zu viele Menschen, zu viele Gebäude, zu viele Autos, zu viel Lärm, zu viele eklige Gerüche, zu viel von allem. Totale Reizüberflutung.
Ich will das nicht mehr. Ich kann das nicht mehr.
Das liebe ich am Home Office – diese Chance und Freiheit, quasi zwischen den Welten zu wandeln. Das digitale Businessleben mit Meetings, Deadlines und KPIs auf der einen Seite – Stallklamotten, Mistforken und Gemüsebeete auf der anderen. Ich arbeite in der Corporate-Welt und liebe die Themen, die intellektuelle Herausforderung. Aber von meinen eigenen vier Wänden aus, in Leggins. Nach den Meetings mit Kollegen aus der ganzen Welt gehe ich direkt zu den Hühnern, in den Garten oder sattle mein Pferd.
Diese Verbindung meiner zwei Welten wäre ohne die Umbrüche der Pandemie vermutlich nie so selbstverständlich möglich gewesen. Für mich als neurodivergenter Mensch ist diese Balance vermutlich noch mehr ein Segen als für andere – ich kann mich zurückziehen, wenn mir alles zu viel wird, bleibe aber trotzdem voll im Job eingebunden. Nach anstrengenden Zoomcalls kann ich direkt ohne eine ebenso anstrengende Heimfahrt in den Garten gehen, tief durchatmen und neue Kräfte sammeln.
Was früher ein krasser Konflikt war – entweder Karriere in der Stadt oder Landleben mit Tieren – ist jetzt eine bereichernde Symbiose geworden, die verdammt gut funktioniert.
So schlimm war es nicht?
Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich es für keine große Sache halte, was ich in den letzten paar Jahren ausgehalten habe. Denn so schlimm war die Coronazeit für mich persönlich ja nicht. Weder bin ich ernsthaft erkrankt (und ich war wirklich paranoid, was Covid bei meiner MS auslösen würde – mein Körper hat das aber echt gut weggesteckt), noch habe ich meinen Job verloren oder gar jemanden meiner Lieben.
Aber das ist Bullshit. Diese Jahren haben etwas mit mir gemacht. Haben Kraft gekostet, haben verändert. Ich bin nicht mehr der gleiche Mensch wie vor der Pandemie – meine Prioritäten haben sich verschoben, meine Grenzen sind klarer geworden.
Irgendwie war die Pandemie eigentlich nur der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Krisen dieser Dekade. Diese ersten 2020er Jahre haben es wirklich in sich: erst COVID-19, dann der Krieg in der Ukraine, die besorgniserregende politische Zeitenwende mit der angespannten Situation in den USA, und ach ja, die Klimakrise gibt es ja auch noch… 🫥
Es fühlt sich an, als würden wir von einer globalen Krise in die nächste schlittern, ohne zwischendurch wirklich durchatmen zu können.
Aber trotz allem haben wir es geschafft. Wir haben eine verdammte Pandemie durchlebt und überstanden! Das ist kein Pappenstiel, sondern eine kollektive Erfahrung, die uns alle geprägt hat. Ich bin dadurch auch resilienter geworden. Schätze gemeinsame Zeit mit Freunden mehr wert als vorher, meine Gesundheit und gerade jobtechnisch auch die Möglichkeiten, die das Internet mit sich bringt.
Wie ist das bei dir? Wie blickst du fünf Jahre später auf die Pandemie zurück?
Das hätte die Kommentarspalte bei mir dezent gesprengt. 🙂
Mal abgesehen von den Pferden sehe ich da sehr viele Parallelen. Die Liebe fürs Homeoffice, die auch ehr Freizeit bringt, weil das Pendeln wegfällt.
Und ja, wir rutschen aktuell von einer Krise in die Nächste. Aber auch das habe ich durch Corona gelernt, es einfach sehr locker zu sehen und nicht zu nah an mich ran zu lasen. Wir können es eh nicht ändern, genießen wir also das Leben im Jetzt.
Jain… bis zu einem gewissen Grad haben wir ja sehr wohl einen Einfluss auf das Weltgeschehen. Natürlich nur recht begrenzt, aber trotzdem – wir würden ja auch die Menschen moralisch verurteilen, die sich zu NS-Zeiten entspannt zurückgelehnt haben und sich sagten, dass sie es ja eh nicht ändern können und lieber einfach ihr Leben genießen…
Hallo Anne,
dass klingt nach sehr vielen positiven Dingen, die Dir in dieser Zeit passiert sind aber auch nach einer ganz schönen Wende. Schön, dass sie so positiv ist und Du für Dich Deinen Weg gefunden hast. Ja, es stimmt, es kommt eine Krise nach der anderen, aber wie schon Tommi geschrieben hat, können wir es eh nicht ändern und sollten das Beste daraus machen.
LG Edeline
Ich denke schon, dass jeder für sich schauen sollte, wie man die Welt ein bisschen besser machen kann für andere… auch wenn das ganz anders aussehen kann.
Stimmt, der Aspekt mit den Menschen, die dann auf einmal überall Verschwörungen gesehen haben usw…
Es war so traurig zu sehen, wie es teilweise Familie spaltete… wir zogen bei uns Gott sei Dank alle an einem Strang, hatten aber durchaus auch Leute in unserem Umfeld, die da ihre ganz eigene Sicht der Dinge hatten…
Innerhalb der Familie ist sowas ja nochmal heftiger zu sehen… das war bei mir zum Glück nicht so.
ich hab mich an so vielen Stellen im Text wieder gefunden. Was Freundschaften angeht, habe ich auch einige verloren, denke ich. Also, es waren mehr Freunde von meinem Mann und mir (seine Schulfreunde). Der Kontakt ist einfach viel weniger geworden, weil wir eine andere Entscheidung getroffen haben, wie wir mit der Pandemie umgehen, als andere. Und wir haben uns wohl ähnlich zu dir verhalten und lieber verzichtet, als uns und andere in Gefahr zu bringen. Ich glaube aber, dass bei unseren Freunden noch der Punkt mit reinspielt, dass wir (noch) kein Kind haben, andere aber schon und dadurch natürlich eher was mit anderen Eltern + Kindern machen. Wobei das vor der Pandemie kaum ein Problem war. Erst mit der Pandemie.
Du schreibst „Diese Jahren haben etwas mit mir gemacht. Haben Kraft gekostet, haben verändert. Ich bin nicht mehr der gleiche Mensch wie vor der Pandemie – meine Prioritäten haben sich verschoben, meine Grenzen sind klarer geworden.“ und genau so fühle ich mich auch! Ich bin nicht mehr die, die ich vor der Pandemie war. Zu Beginn der Pandemie habe ich mich gefragt, ob ich überhaupt jemals wieder unter Menschen sein kann. Spoiler: ja, sogar ohne Maske, aber Messen oder andere Großveranstaltungen meide ich weiter.
Aber in mir bleibt immer dieses leichte Unwohlsein. Ich weiß, andere haben das alles längst vergessen, haben es auch während der Pandemie nicht so eng gesehen. Ich musste mich vor Kurzem richtig überwinden, freitags nach Feierabend noch zum Yoga zu fahren. Die ersten Male (es waren nur etwas mehr als 10 Termine und drei davon habe ich verpasst) war ich extrem nervös, weil ich raus musste, weil meine Routine durchbrochen wurde, weil ich in einen Raum mit Menschen „musste“, die ich nicht kannte. Auf der Arbeit habe ich kein Problem damit, obwohl es anfangs auch schwer war (hab vor genau 2 Jahren angefangen). Dieses Jahr wollte ich aber Dinge tun, die mir seit 2020 schwer fallen. Letzten Monat war ich z. B. nach Ewigkeiten (seit 2018 oder so) beim Stricktreffen. Das ist immer sehr gut besucht und auch dieses Mal wars voll. Aber ich hab es geschafft! Eigentlich wollte ich gestern wieder hin, aber diesmal hat mich doch tatsächlich eine kleine Erkältung erwischt (nur Schnupfen).
Ich werde die Tage wohl auch mal meinen Rückblick auf die Corona-Jahre schreiben. Bin im Moment wieder blogfaul. 😉
Hui, so ein ausführlicher Kommentar und dann nennst du dich blogfaul? Von wegen, das war doch schon ein halber Artikel hier. 😉
Ich find’s mega, dass du dich überwunden hast und zum Yoga und zum Stricktreffen gehst! Wenn man etwas noch nie gemacht hat oder eine Weile nicht mehr, dann verschiebt sich halt auch die eigene Risikowahrnehmung. Das ist ja so ähnlich wie beim Autofahren… ich selber fahre so gut wie nie in größeren Städten, weil mich das total stresst und ich das subjektiv für echt gefährlich halte mit so vielen Autos, kreuz und quer laufenden Fußgängern, rechts überholenden Radfahrern, Straßenbahnen und so weiter. Meine Kollegen aus der Stadt hingegen fahren da schulterzuckend durch, für sie ist es nichts Besonderes oder Gefährliches. Wir hatten aber mal ein aufschlussreiches Gespräch darüber – ein Kollege erzählte, wie er Schweißausbrüche und richtig Angst bekam, als er auf einer Landstraße auf einmal anhalten musste, weil eine Kuhherde darübergetrieben wurde. Er hatte totales Kopfkino, dass die Kühe ihn angreifen würden. Das wiederum ist für mich eine total entspannte Situation, einfach weil ich halt Kühe kenne. So unterschiedlich nimmt man die Dinge und Gefahren wahr… und manchmal muss man sich einen kleinen Schubs geben und auf das eigene Empfinden nicht ganz so viel geben.