Mich zuhause und angekommen zu fühlen, ist für mich essentiell. Aber was macht dieses Gefühl von Daheimsein eigentlich aus?
Ursprünglich ist dieser Text mal vor Monaten für eine Blogparade über das Zuhausefühlen entstanden. Die war allerdings längst vorbei, ehe ich auch nur halbwegs fertig war mit dem Schreiben. Seitdem lag der Entwurf herum und setzte schon Staub an. Da mir der Text zu schade ist zum Wegwerfen, habe ich mich jetzt mal drangesetzt und ihn zu Ende gebracht.
Was ist Zuhause – ein Ort oder ein Gefühl?
Es gibt viele Menschen, die sagen, Zuhause sei kein Ort, sondern ein Gefühl. Ich widerspreche da mal und sage: für mich persönlich hängt das Zuhausefühlen ganz stark mit Orten zusammen.
Vielleicht, weil ich mich in mir selber einfach nicht so angekommen und zuhause fühle wie andere. Vielleicht, weil ich Orte – wie sie ausschauen, ihre Geschichte, den vertrauten Klang von Ortsnamen und auch Dialekte – oft einfacher und verlässlicher finde als Menschen. Vielleicht auch, weil mein Oberstübchen bekannte Umgebungen und Abläufe braucht, um nicht durch Reizüberflutung unter Dauerstress zu stehen.
Zuhause fühlen ist für mich wahnsinnig wichtig. Daheim zu sein, erdet mich. Hier kenne ich mich aus, hier gehöre ich hin, hier tanke ich Kraft für Ausflüge in die Welt da draußen.
Wo liegt mein Zuhause?
Es ist kein Zufall, dass ich gerade mal 3km Luftlinie entfernt wohne von dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Als wir damals hier das Grundstück gefunden und unser Haus gebaut haben, war das für mich wie ein Sechser im Lotto. Tatsächlich hatten wir ursprünglich auch andere Gegenden irgendwo hinter Leverkusen im Visier und ich bin sehr, sehr froh, dass wir nicht dorthin gezogen sind.
Wo genau ich wohne und was ich hier an der Gegend so liebe, habe ich vor etlichen Jahren – 2018 – schon einmal in dem Beitrag Bergisches Land?! Wo lee ich denn eigentlich?! erzählt.
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Hier haben wir 2016 unser Haus gebaut und das ist für mich nicht einfach irgendein Haus, sondern mein Zuhause, meine Home Base. Ich bin meinem Mann sehr dankbar, dass wir nach der Trennung eine Lösung gefunden habe, durch die ich hier wohnen bleiben kann (auch wenn es finanziell heftig ist, die Kredite seitdem alleine zu stemmen).
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Ein eigenes Haus
Meine eigene Haustür aufschließen und daheim sein – und nicht in einem muffigen Treppenhaus stehen, wo es nach einer Mischung aus kaltem Zigarettenrauch und Waschmittel riecht und man nicht weiß, wer einen gerade durch den Türspion beobachtet und womöglich plötzlich vor einem auftaucht.
Beim Blick aus dem Fenster wahlweise den eigenen, selbst gestalteten Garten sehen oder einfach Felder und Wälder. Frei entscheiden können, was hier wie ausschaut… das ist ein verdammter Luxus.
Mir ist klar, wie privilegiert ich bin, so leben zu dürfen. Dass das alles so gekommen ist und funktioniert, ist zu einem großen Teil auch Glückssache gewesen… und deswegen wird das für mich nie selbstverständlich sein.
Gerade in der heutigen Zeit – in meiner Kindheit war es irgendwie noch normal, dass fast alle aus meiner Klasse in einem eigenen Haus wohnten, obwohl da niemand wer weiß wie reich war. Mittlerweile sind die Kosten für ein Eigenheim einfach ein ganz anderer Schnack.
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À propos früher und Kindheit:
Mein Elternhaus
Aufgewachsen bin ich ja, wie gesagt, ein paar Kilometer von hier entfernt in einem winzigen Dorf. Also noch winziger als das, wo ich jetzt lebe – hier haben wir nämlich immerhin eine Linienbushaltestelle und Straßennamen, jawoll! 😀 In meinem Heimatdorf waren die Häuser einfach nach dem Ortsnamen durchnummeriert.
Es war ein großes Haus mit einer eigenwilligen Architektur – Bauhausstil, Flachdach, wie zusammengewürfelt aus einzelnen Blöcken.
Zum Wohnzimmer ging es drei Stufen hoch, zum „Schlaftrakt“ (Elternschlafzimmer, Kinderzimmer, Gästezimmer, Bad und Arbeitszimmer meiner Mom) drei Stufen runter. Außerdem gab es noch einen großen Keller, in dem mein Vater sein Arbeitszimmer hatte, eine Dunkelkammer (ja, ich habe da auch schon selber Abzüge entwickelt – so richtig analog mit entsprechender Chemie!), eine Sauna (die aber nur als Lagerraum für leere Kartons diente, ich habe die nie in Aktion erlebt) und einen nur halb ausgebauten Raum, den „Kriechkeller“. Da war der Boden nur aus Lehm gestampft, man konnte kaum aufrecht stehen und verschiedene Regale mit allem möglichen Krempel bildeten ein funzelig beleuchtetes Labyrinth… das hatte immer etwas Gruseliges. Einmal war ich mir sicher, im Halbdunkeln den Schädel eines Dinosaurierskeletts erspäht zu haben. Wie sich herausstellte, handelte es sich um den Berg einer Modelleisenbahn. 😀
Ein Teil des Gartens war mit einer Mauer umgeben und bildete einen geschützten Innenhof:
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Ich habe es geliebt, dort zu wohnen. Zum Studieren bin ich damals dann aber ausgezogen und seitdem hatte ich lange Jahre nichts mehr, was ich „Zuhause“ nennen wollte. Klar, ich wohnte in Köln, Troisdorf und Leverkusen in verschiedenen Mietwohnungen, aber zuhause fühlte ich mich dort nie.
2014 wurde mein Elternhaus verkauft. Das hat mir in der Seele wehgetan und ich hatte natürlich auch darüber nachgedacht, dass wir es übernehmen, statt ein anderes Haus zu kaufen bzw. zu bauen. Letzten Endes siegte da aber die Vernunft – an der Bausubstanz lag vieles im Argen, die Architektur mit den großen, offenen Räumen war eigentlich gar nicht unser Geschmack und zum damaligen Zeitpunkt wollte mein Mann auch nicht so weit draußen wohnen.
Sitze ich nur daheim rum?
Tatsächlich verbringe ich verglichen mit anderen wohl wirklich viel Zeit in meinem vertrauten Umfeld. Das hört nun nicht an der Grundstücksgrenze auf, sondern umfasst natürlich auch den Stall und die Felder, Wälder und Örtchen hier in der Umgebung.
Es ist nicht so, als wäre ich ein Stubenhocker. Es kostet mich nur einfach sehr viel Energie, mich an fremden Orten aufzuhalten, so viele Reize zu verarbeiten. Und auch wenn ich neue Eindrücke wirklich gerne mag und gerade zum Fotografieren liebend gern neue Ecken erkunde – erholsam ist das für mich nicht.
Dabei macht es für mich auch nochmal einen Unterschied, wo ich bin und wie viele fremde Menschen um mich herum sind. Je mehr Natur, desto weniger anstrengend. In Begleitung von Familie oder Freunden unterwegs zu sein, ist ein bisschen „Zuhause to go“ und macht es ebenfalls weniger kräftezehrend.
Alleine in einer fremden Großstadt sein zu müssen, ist für mich eine Horrorvorstellung. 😅 Klar, ich wuppe das. Aber es kostet mich unheimlich viel. Hingegen alleine irgendwo jwd in der Pampa unterwegs zu sein, stört mich kein bisschen. Im Gegenteil. 😀
Wie ist das mit Urlauben?
Einige Jahre lang sind mein Mann und ich gern öfter mal ein paar Tage lang nach Zoutelande ans Meer gefahren. In dieser Ecke von Holland war ich schon als Kind ein paar Mal mit meinen Eltern, wir waren damals zwei- oder dreimal in Domburg auf einem Campingplatz. Daher war das ein bisschen wie nach Hause kommen… die vertrauten Ortsnamen lesen; zu wissen, was wo ist.
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Generell unternehme ich lieber Tagesausflüge als längere Reisen – da kann ich abends ins eigene Bett kippen. 😀 Aber auch bei Tagestouren weiß ich mittlerweile, dass ich zwischendurch Pausen brauche. Ganz krass habe ich das 2022 gemerkt. Zusammen mit meiner Freundin hatte ich eine Woche Urlaub, es war Familienbesuch da und wir haben jeden Tag Ausflüge unternommen. Die waren alle toll und jeder für sich auch nicht wer weiß wie überfordernd – wir waren im Zoo, in einem kleinen Bilderbuchmuseum, sind essen gegangen, und und und. Aber trotzdem war es viel zu viel Input und zu viele Ortswechsel in kurzer Zeit. Am Ende der Woche konnte ich nicht mehr sagen, an welchem Tag wir wo waren und in welcher Reihenfolge und ich war einfach völlig ausgelaugt und erledigt.
Meine Physiotherapeutin hat mir ans Herz gelegt, in eine orthopädisch-neurologische Reha zu fahren. Klar, für die MS, meinen Rücken und gegen die Schmerzen wäre das sicherlich gut. Für 99% der Menschen klingt das bestimmt auch toll, sich mal nicht um Haushalt und Co. kümmern zu müssen, sondern Zeit für sich zu haben und noch dazu diverse Anwendungen zu bekommen, die die Gesundheit verbessern. Sozusagen Urlaub plus.
Aber die Vorstellung, drei Wochen oder länger irgendwo anders zu sein, löst bei mir persönlich einfach nur einen Riesenberg Stress aus und das würde unterm Strich mehr Ressourcen kosten als bringen.
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Früher habe ich mich deswegen fertig gemacht, habe nicht verstanden, warum ich da so anders ticke. Warum sich alle in der Schule auf eine Klassenfahrt freuen und nur ich nicht. Es war ja nicht alles blöd, aber wenn sich auf Tagesausflügen und Klassenfahrten zuverlässig nach einigen Stunden Kopfschmerzen und Bauchschmerzen einstellen und sich eine bleierne Erschöpfung ausbreitet, dämpft das den Spaßfaktor dann doch erheblich. Übrigens habe ich das früher nie thematisiert. Es war mir so peinlich, so „komisch“ zu sein, dass ich es überspielt habe (was natürlich auch nochmal zusätzliche Energie gekostet hat). Masking olé.
Mittlerweile weiß ich, dass das mit meiner Neurodivergenz zusammenhängt. Dass es okay ist. Ich erkenne die Frühzeichen einer Reizüberflutung und plane daher von vornherein auch Zeit zum Energietanken ein.
Im Sommer fahre ich mit meiner Mama für anderthalb Wochen nach Frankreich – mein erster Urlaub seit Jahren. Und darauf freue ich mich sehr. 💛
Damit wären wir wieder bei dem, was ich eingangs schrieb: ich brauche mein Zuhause, um Kraft zu tanken für Ausflüge in die Welt da draußen. Denn ohne diese Ausflüge wäre mein Zuhause auch kein Zuhause mehr, sondern ein langweiliger Käfig.
Wie ist das bei dir?