Wie selbstverständlich das Internet für uns geworden ist, merkt man erst, wenn es plötzlich nicht mehr funktioniert…
Ich war weg aus diesem Onlinedings. Keine Blogartikel, kein Beitrag im Forum, keine Kommentare, keine Posts auf Instagram, keine Herzchen, keine Nachrichten: nix.
Nun war das mitnichten ein geplantes Digital Detox, sondern eine Zwangspause: wir hatten nämlich plötzlich kein Internet mehr.
Den folgenden Text habe ich während dieser Offlinezeit in der Notizapp getippt und kam mir dabei vor wie ein Höhlenmensch mit einer Schreibmaschine. Okay, die Metapher ist vielleicht etwas schief. Aber ihr wisst, was ich meine.
Während ich diesen Beitrag tippe, bin ich offline. Seit zwei Tagen haben wir zuhause kein Internet.
Ein LKW ist an einer Telefonleitung hängengeblieben und hat sie zerrissen. Das ist halt so auf dem Land – wir haben hier kein fancy Glasfaser, sondern stellen unsere Internetverbindung nolens volens über oberirdisch verlegte Telefonleitungen her. Die schlängeln sich durchs Dorf, verlaufen quer über die Straßen, und hängen bisweilen auch ziemlich waghalsig durch. Beziehungsweise wie in diesem Falle hängen die Überreste dann halt auch mal abgerissen mit ausgefranstem Ende in einem Baum.
Nun könnte man sagen, halb so wild, dann greif halt auf die mobilen Daten vom Handy zurück, richte einen Hotspot ein! Tjaaah. Unser Dorf ist in einem Tal gelegen. Böse Zungen möchten es auch „Das Tal der Ahnungslosen“ nennen…
Mit einem Quäntchen Glück erhasche ich im Obergeschoss ab und an mal ein bisschen Verbindung, dann bauen sich die Seiten zumindest Pixel für Pixel auf. Zuverlässig ist das nicht.
Für eine halbwegs stabile Verbindung müssen wir den Hügel hochmarschieren, dann ploppen auf einmal zig WhatsApp-Nachrichten, Instagram-Benachrichtigungen, Mails & Co. auf. Es war hier in unserer Patchworkfamilien-WG noch nie so beliebt, mit dem Hund rauszugehen. 😀
Arbeiten kann ich so natürlich nicht, netterweise gewährt mir meine Mama Internet-Asyl. Zum Glück wohnt sie nur 10 Autominuten entfernt. Da sitze ich dann also an ihrem Küchentisch und kann zumindest meine Meetings bestreiten und Emails abarbeiten. Auch in den Stall habe ich mein MacBook mitgeschleppt und mich da zum Arbeiten in die Sonne gesetzt. Tatsächlich fokussiere ich mich da nur auf Firmendinge und schaue nicht in den Feedreader oder in Social Media rein, also zählt es nur halb.
Daheim sind wir aber nun offline. Das macht was mit einem.
Man glaubt gar nicht, wie automatisiert wir teilweise Dinge im Internet erledigen und uns darauf verlassen: eigentlich ist es uns allen ja ausreichend klar, dass wir kein Internet haben. Trotzdem passiert es alle naselang, dass jemand reflexartig zum Handy greift, um etwas nachzuschauen, um ein bisschen zu daddeln oder auch irgendjemandem etwas zu schreiben. „Alexa, Nudeltimer 10 Minuten!“ – „…“ Nee, die geht auch nicht.
Die Stimmung und Gesichtsausdrücke: 😶 🤨 🙄 😭
Morgens beim Kaffee lese ich keine Nachrichtenseiten, sondern meinen Roman, mit dem ich endlich mal vorankomme. Was mir aufgefallen ist: so offline fällt es mir leichter, zwanzig, dreißig Minuten oder auch länger am Stück einfach zu lesen – ohne zwischendurch immer wieder aufs Handy zu gucken oder dann doch lieber am Rechner arbeiten zu gehen. Das ist schön, irgendwie. Es ist so wie früher – als Kind und Jugendliche war ich eine Leseratte, die sich stundenlang in Bücher vertieft hat.
Abends legen wir DVDs ein und gucken ganz oldschool die Filme, die wir physisch im Regal zu stehen haben. Gekocht wird aus dem Gedächtnis anstatt anhand gegoogelter Rezepte.
Von den Blogs bekomme ich gerade gar nichts mit. Das fühlt sich merkwürdig an. Denn das Internet-Leben da draußen geht ja weiter – ich bekomme es nur nicht mit. /Dramaqueen-Mode off. 😆
Irgendwie ist es aber schon schön, etwas Ruhe reinzubringen. Durch diese (Zwangs-)Pause quasi entschuldigt zu sein, nicht dauernd überall posten, liken und kommentieren zu müssen. Die Hälfte meiner persönlichen To Do-Liste fällt gerade weg – ich muss keine GPTs weiterentwickeln, keinen Redaktionsplan einhalten, nicht zwei Fachbücher pro Woche in Blinkist lesen, …
Gleichzeitig fühlt es sich aber auch befremdlich an.
Ein großer Teil meines Lebens, meiner Identität findet gerade einfach nicht statt.
Ich fotografiere, aber keiner sieht die Bilder.
Ich schreibe, aber keiner liest es.
Seit Freitagabend haben wir wieder Internet. Zwar (hoffentlich) vorerst nur mit einer bescheidenen Geschwindigkeit, 15 MBit im Downstream. Die DVDs sollten wir also noch nicht wegräumen. Aber immerhin kann ich wieder mitlesen und veröffentlichen.
Diese drei unfreiwilligen Digital-Detox-Tage haben mich zum Nachdenken gebracht.
Warum fühlt es sich trotz aller Frustration gleichzeitig so befreiend an? Warum fällt da plötzlich so viel Druck weg? Und warum mache ich mir den überhaupt, es zwingt mich doch keiner zu all dem Stress?! Weil es normal ist? Weil es nunmal dazugehört, im Jahr 2025 zu leben? Aus Gewohnheit? Weil mein Hirn süchtig geworden ist nach all diesen kleinen Dopaminkicks? – Wahrscheinlich eine Mischung aus allem.
Was möchte ich mitnehmen aus dieser Zeit? – Vielleicht den bewussteren Umgang mit meiner Zeit. Diese tiefe Konzentration auf ein Buch ohne ständiges Handy-Checken. Die Entschleunigung, dass nicht jeder Gedanke, jedes Erlebnis sofort verbloggt werden muss.
Gleichzeitig habe ich wieder einmal gemerkt, wie sehr mich die Verbindung zu euch da draußen, zu dieser verrückten, bunten Online-Community bereichert. Ihr fehlt mir, wenn ihr nicht da seid! Die digitale Welt mit all ihren Möglichkeiten ist eben auch ein wunderbarer Ort des Austauschs geworden.
Balance ist wohl das Zauberwort. Ein bisschen mehr Offline-Leben bewahren, ein bisschen weniger digitaler Stress – und trotzdem die Verbindungen pflegen, die mir wichtig sind.
In diesem Sinne: Ich bin wieder da! 😊
Och, das passiert auch in der Großstadt, mit unterirdischen Leitungen, wenn der Provider es mal wieder versemmelt hat. Letztens auch fast eine komplette Woche. Allerdings war hier 5G die Rettung, welches hier vervorragend funktioniert, ohne mit den Haustieren auf einen Berg zu kraxeln. 🙂
Privat fände ich so einen Detox allerdings auch erholsam. Beruflich wäre es halt doof, weil dann keine Homeoffice möglich wäre.
Immerhin hattet ihr dann noch mobile Daten. 😀 Wobei ich eine Woche auch schon heftig lange finde – das hat dann ja wahrscheinlich auch nicht nur Privatanschlüsse betroffen, sondern auch Firmen…
Ich fühle so mit dir.
Hallo Anne,
ja dass stimmt heute sind wir dauerhaft online und wissen kaum noch wie es ist mal offline zu sein. Eigentlich traurig. Ich kann verstehen, dass Du die Digitalen Detox Tage genossen hast. Ich versuche in meinem Urlaub und zu Weihnachten zu den Feiertagen auch immer offline zu sein und mal ohne Social Media und co. klarzukommen und dass tut auch immer ganz gut. Ich finde es auch immer traurig wenn ich die Jugend sehe, die nur noch am Handy sitzt und nicht mal mehr miteinander reden kann. Aber ganz ohne geht es heutzutage irgendwie auch nicht mehr. Die richtige Balance ist wichtig, da hast Du absolut Recht.
Schon krass, wie sich das verändert hat – ich bin als Jugendliche ja noch damit aufgewachsen, dass Internetverbindungen eine superteure Angelegenheit waren. Da hat man sich dann nur sehr bewusst eingewählt (damals noch über diese CDs, die es von Freenet und so gab) und die Telefonrechnungen waren am Ende des Monats immer ellenlang. 🙈 Damals war das nicht vorstellbar, 24/7 online zu sein…
Danke dir. 😀
Es ist schon heftig, wie normal unser Internetkonsum inzwischen geworden ist. Man hat ja das Handy alleine ständig in der Hand und scrollt sich überall durch… Ich bin meist am Wochenende weniger am Laptop, weil ich einfach ständig unterwegs bin, das ist unter der Woche mehr mit meinen eingeplanten Morgenstunden. Aber das Handy…bitterböse.